Weil ich aus meinem Umfeld weiß, dass sich viele Eltern gerade fragen “Ist mein Kind schulreif?”, möchte ich diese Frage heute einmal aufgreifen. Gerade auch in Beratungen wird diese Frage zur Zeit häufig an mich herangetragen und ich möchte gleich sagen: ich kann sie nicht beantworten. Du, als Elternteil, kennst dein Kind und wirst die richtige Entscheidung treffen. Ich möchte aber gerne ein paar Zusammenhänge für dich erläutern, die dir die Entscheidung hoffentlich etwas leichter machen.
Einschulung hat nichts mit dem Geburtstag zu tun
Als erstes möchte ich dich dabei unterstützen dich von dem Irrglauben zu lösen, dass der Einschulungstermin deines Kindes mit seinem Geburtsdatum zu tun haben muss. Dieser Richtwert kann für dein Kind stimmen, muss er aber nicht. Es gibt sehr viel wichtigere Kriterien, die dir verraten, ob dein Kind schulreif ist, als sein Geburtstag. Auch in Deutschland hast du eine große Flexibilität zum Einschulungstermin von Zurückstellen bis vorzeitiger Einschulung. Für das notwendige genaue Vorgehen wendest du dich am besten an deine Sprengel-Grundschule.
Interesse an Zahlen und Buchstaben
Die erste Frage, die du dir stellen solltest ist, hat mein Kind schon Interesse an Zahlen und Buchstaben. Dieses Interesse kann dir von Seiten des Kindergarten bestätigt werden oder du beobachtest es nur zu Hause. In jedem Fall gilt es dieses Interesse zu unterstützen und deinem Kind die Möglichkeit zu geben, zu lernen was es möchte. Auch für jüngere Kinder sollte es im Kindergarten möglich sein, diesem Wissensdurst nachzugehen. Das kann zum Beispiel durch die Teilnahme an der Vorschule geschehen oder durch individuelle Förderung.
Wenn du dir in diesem Punkt unsicher bist, dann beobachte es eine Weile ganz genau. Mach deinem Kind Angebote, zum Beispiel Vorschulhefte, Lük-Kästen oder Ähnliches. Hat dein Kind Spaß daran, fängt es Feuer und ist energetisiert durch die Herausforderungen? Oder würde es immer eher zur Knete (oder Spielzeug seiner Wahl) greifen als zu dem aufgeschlagenen Vorschulheft? Hier musst du präzise beobachten: welche Themen treffen genau den richtigen Grad der Herausforderung? Auch zu leichte Aufgaben können (gerade bei sehr oder hochbegabten Kindern) zu Ablehnung führen. Und natürlich musst du auch den Zustand deines Kindes miteinbeziehen: ein müdes Kind hat vielleicht in diesem Moment keine Motivation mehr. Probiere verschiedene Zeitpunkte aus. Bitte bleib in jedem Fall wertfrei. Das Lernen bereits in eine Meta-Ebene zu bringen (durch Zahlen und Buchstaben) oder im reinen Spiel bleiben zu wollen (in dem auch jede Menge gelernt wird!), es ist beides völlig in Ordnung. Dein Kind gibt sein Tempo vor, deine Aufgabe ist es zu beobachten.
Sozial auffälliges Verhalten
Oft wird bei der Empfehlung ein Kind noch länger im Kindergarten zu lassen auf sozial auffälliges Verhalten oder emotionale Unreife verwiesen. Es gibt Kinder, die davon profitieren noch mehr Zeit im Kindergarten zu verbringen und ihre soziale Kompetenz zu üben. Resilienz und emotionale Stabilität können sich mit steigendem Alter und täglichem Üben in einem geborgenen Umfeld einstellen. Allerdings muss man auch hier genau hinsehen woher die sozialen oder emotionalen Auffälligkeiten rühren. Sehr und hochbegabte Kinder langweilen sich (spätestens) im letzten Kindergartenjahr enorm. Diese Form der Belastung für die Kinder ist nicht zu unterschätzen und die Folgen, wie sie sich äußert, auch nicht. Logisch, dass es diesen Kindern nicht gut tut noch länger im Kindergarten zu bleiben und sich ihr Verhalten dadurch auch nicht verbessern wird.
Unterforderte Kinder können sozial auffälliges Verhalten zeigen. Dieses Verhalten wird sich erst bessern, wenn das Kind in einem Umfeld ist, das es angemessen fordert.
Anzeichen dafür findest du in der Kombination mit deinen Beobachtungen zum Interesse an Buchstaben und Zahlen. Ist dein Kind plötzlich friedlich und ausgeglichen, wenn es knobeln, rätseln, lernen darf?
Sei Mutig
Die Frage sollte eigentlich nicht lauten: Ist mein Kind schulreif? Sondern:
Ist mein Kind in einem Umfeld, in dem es weder unter- noch überfordert ist?
Das kann im Kindergarten sein, wenn dein Kind mit dem Vorschulstoff im nächsten Jahr perfekt herausgefordert sein wird. Das kann in der Schule sein, wenn dein Kind lesen, schreiben und rechnen lernen möchte. Und in beiden Fällen hat es nichts mit dem Alter zu tun. Es ist wirklich an der Zeit, die Strukturen unseres veralteten Schulsystems als Vorschlag zu verstehen und nicht mehr.
Das wichtigste ist: Bremse nie den Wissensdurst deines Kindes. Motivation und die Lust am Lernen sollten immer genährt werden.
Jetzt wünsche ich dir viel Elan für deine Entscheidung und vor allem, dass du deiner Intuition vertraust. Es gibt niemanden auf der Welt, der dein Kind besser kennt als du.
Schreibe einen Kommentar